Bei einem Schüleraustausch wurde mir von einem netten Franzosen etwas angeboten, das ich für eine selbstgedrehte Zigarette hielt. Auf die Frage "Tu fumes?" (auf deutsch: rauchst Du?) habe ich -da ich damals noch geraucht habe- mit "Oui", also Ja geantwortet. Anscheinend haben wir nicht von der selben Sache geredet. Als er mir nach ein paar Zügen plötzlich den Glimmstengel weggenommen hat und fragte, ob ich schon etwas spüren würde, wurde mir mulmig. Mir war sofort klar, dass ich gerade auch eine andere Substanz als Tabak zu mir genommen hatte. Meine erste Begegnung mit THC war also eher einem Missverständnis geschuldet. Als die Wirkung einsetzte, gab es eine Stimme in mir, die mir geraten hat, jetzt einfach mal meine Augen zu schließen und meinen Körper wahrzunehmen. Was soll ich sagen...es hat sich gut angefühlt.
Es hat weitaus mehr mit mir resoniert, als es z.B. Alkohol oder Zigaretten je getan haben. Das Suchtpotential und den körperlichen Zerfall der zuletzt genannten Substanzen sehe ich als weitaus höher und auch gefährlicher an. Von daher stellt sich mir die Frage, ob Cannabis "die" Einstiegsdroge sei für mich persönlich überhaupt nicht. Immerhin war ich schon mit den anderen besagten Drogen in Berührung, bevor es mit Cannabis überhaupt der Fall war.
Mit stark alkoholisierten Menschen bin ich schon sehr früh in Kontakt gekommen. Jemand aus meiner Verwandtschaft hatte eine Kneipe und ich liebte es, dort zu kellnern und irgendwie das Maskottchen zu sein. Ich durfte somit schon als kleiner Junge sehen und erleben, was (exzessiver) Alkoholkonsum aus Menschen macht. Im Umgang mit sich selbst und im Umgang mit anderen Menschen. Kein schöner Anblick, wie man sich vielleicht denken kann.
Natürlich habe ich auch im jugendlichen und erwachsenen Alter ein paar durchzechte Nächte erlebt…vor allem, als ich noch in der Hotellerie gearbeitet habe. Dort durfte ich die dünne Linie zwischen Alkoholgenuss und Alkoholmissbrauch aus nächster Nähe erleben. Es waren meistens lustige Abende, ganz ohne Frage. Doch ich muss wohl den meisten hier nicht erklären, wie man sich nach einem zünftigen Besäufnis am nächsten Tag fühlt.
Meine Cannabis Erlebnisse waren im Vergleich dazu (auch am Tag danach) immer anders. Ich habe schon immer gerne meditiert, doch meine Innenwelt auf Ganja zu entdecken und meinen Körper zu spüren und innerlich abzutasten waren immer sehr tiefgehend, erdend, entspannend, kreativ, künstlerisch, hoch energetisch, je nach Sorte wach machend oder auch mal ermüdend, inspirierend und meistens einfach nur angenehm. Ja…ich hatte auch schon mal eine heftige Überdosierung, als ich zu viel Kekse gegessen habe. Das war einfach nur schrecklich und dauerte ewig, bis es wieder in den Landeanflug ging! Doch ich habe daraus gelernt und kann rückblickend sagen, dass es schlichtweg der fehlenden Aufklärung und meinem selbst verursachten Mangel an Fachwissen geschuldet war. Und auch leider der Tatsache, dass heutzutage kaum noch CBD in den meisten Gräsern drin ist. Es wurde schlichtweg herausgezüchtet. Hier wäre übrigens mein ganz persönlicher Wunsch an den Gesetzgeber, neben dem Maximalwert an THC einen Mindestwert an CBD im Gesetz zu verankern. Zum großen Glück kann man sich CBD schon seit einiger Zeit legal kaufen.
Als ich vor vielen Jahren angefangen habe mich intensiver mit Yoga, Meditation und Schamanismus zu beschäftigen, wuchs auch der Wunsch in mir, mehr über die tatsächliche Medizin der Hanfpflanze zu erfahren. Ich war mir schon immer sicher, dass da noch ganz andere Türen aufgehen, wenn man den "richtigen" Schlüssel findet.
Also habe ich viele Bücher über die schamanische, yogische, spirituelle, transformierende, psychedelische, heilsame, medizinische Wirkung von Cannabis gelesen und zudem auch entsprechende schamanische und yogische Ausbildungen absolviert. Es ist so viel mehr möglich, wenn man diese Heilpflanze respektiert und bereit ist, wirklich in sich hineinzuschauen und seine hellen und dunklen Spiegel kennenlernen möchte. Das hat dann nichts mit auf der Couch chillen und lustige Sitcoms schauen oder Lachanfälle im Nonsense-Redeschwall zu tun. Das kann natürlich auch mal ganz witzig sein und ich denke immer gerne an solche Abende zurück. Jedoch hat sich mir Cannabis im rituellen und zeremoniellen Rahmen immer mehr als Entheogen gezeigt. Das lässt sich wahrscheinlich auch irgendwann nicht mehr vermeiden, wenn man sich mit der Kundalini-Energie auseinandersetzt und auch Yoga und Meditationen in diese Richtung praktiziert.
Im Hinduismus gibt es Mönche, sogenannte "Sadhus", die ihren Gott Shiva im Ganja sehen. Shiva, das männliche Prinzip, das grenzenlose Bewusstsein soll im THC, und Shakti, das weibliche Prinzip, die weltliche Manifestation im CBD verankert sein. Durch die Aufnahme von Cannabis verbinden sie sich sozusagen mit ihren Göttern und "opfern" als Sakrament ihr heiliges Kraut. Insbesondere für Yogis und Schamanen ist dies natürlich ein sehr interessanter Aspekt, da Shiva auch der erste Yogi und der erste Schamane gewesen sein soll.
Eine ganz wichtige Information für mich ist das Zusammenspiel des sogenannten Endocannabinoid-Systems. Dies ist aus yogischer / schamanischer / spiritueller Sicht das "Brückensystem" zwischen Körper und Geist. Die klassische Schulmedizin kann zur Funktion noch recht wenig sagen. Fakt ist: unser Körper produziert Rezeptoren, an die Cannabinoide andocken wollen/können/sollen/dürfen. Was hat die Evolution uns da nur in den Körper gepflanzt? Will Mutter Natur etwa, dass wir Cannabis konsumieren??? Es ist alles vorbereitet in unserem Körper. Für Cannabinoide! Wie konnte dann der Mensch überhaupt auf die Idee kommen, dass die "Fütterung" der besagten Rezeptoren untersagt werden muss?!? Wenn die KI unsere neu erschaffene Schnittstelle ins digitale Universum, also in die Außenwelt ist, so sehe ich im Endocannabinoid-System die Schnittstelle zu meinem inneren Urknall, meiner tiefsten Innenwelt.
Ja wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen (und auch so manchen Erwachsenen) vor dem Missbrauch dieser Pflanze schützen! Genauso wie vor Alkohol, Zigaretten und noch vielen Substanzen mehr. Die Realität in unserer Welt sieht bisher nun mal einfach leider anders aus! Bei mir selbst hat der Jugendschutz in dem Punkt übrigens kläglich versagt. Was mir unterm Strich geschadet oder vielleicht sogar geholfen hat? Keine Ahnung, doch es hat mich in Summe genau jetzt an genau diesen Punkt gebracht. Und dafür bin ich dankbar.
Letztendlich geht es ab jetzt darum, dass wir einen achtsamen, respektvollen, verantwortungsvollen, maßvollen, bewussten Umgang mit dieser Lehrerpflanze finden. Wir haben die Chance, gemeinsam etwas Neues zu kreieren. Im Umgang mit uns selbst und im Umgang mit der Gesellschaft.
Doch bitte jeder, wie er mag. Wer lieber Alkohol zu sich nimmt, soll das gerne tun. Da dürfen wir uns von nun an im Umgang miteinander tolerant zeigen. Cannabis würde bestimmt nicht jedem "schmecken". Und wäre bestimmt auch nicht für jeden gut. Ich denke hier dürfen sich besonders auch Mediziner, Therapeuten und Psychologen mit ans Werk machen, um den therapeutischen Nutzen der Pflanze zu entdecken. Für mich persönlich ist die innere (Schatten-)Arbeit mit Cannabis eine starke Ergänzung zur Yoga- und Meditationspraxis, die jedoch auch sehr herausfordernd sein kann. Sowohl körperlich, als auch mental und auch emotional. Sehr vereinfacht ausgedrückt: man fühlt mehr und intensiver…und das in alle Richtungen mit allen Höhen und Tiefen. Mit entsprechenden Techniken kommt man in diesem Zustand an Gefühle, Emotionen, Konditionierungen uvm. in sich heran, die womöglich lange im Verborgenen geschlummert haben. Dinge, die gesehen, gefühlt oder erlöst werden möchten.
Unterm Strich ist es jedoch bei allen jetzt legalen Mitteln der Berauschung mindestens genauso wichtig, auch den nüchternen Zustand zu zelebrieren und seine Grenzen zu kennen. Die Dosis macht das Gift.
Entscheidend wird für den Umgang mit uns selbst die Intention sein, mit der wir Ganja begegnen und diese Pflanze in uns aufnehmen. Meine Intention ist es, mit Cannabis in tiefe Meditationen einzutauchen, meine Kundalini anzuregen und sie für innere Prozessarbeit zu nutzen. Manchmal, um besser einzuschlafen. Manchmal als Schmerzmittel. Und ja, manchmal auch, um einfach mal das schräge Einhorn in mir frei galoppieren zu lassen.
Aho